Wie alles begann
Was hat ein Cocktail vor zehn Jahren gekostet? Cookie und ich sind uns nicht ganz einig. „Nein, ich glaube höchstens 3,50 oder so!“, widerspricht er, als ich erzähle, immer passend mit einem Fünf-Mark-Stück gezahlt zu haben. „Aber ein Wasser hat nur 50 Pfennig gekostet, und der Kaffee war immer umsonst“, betont Cookie und staunt dabei selber etwas, wie rasant sich die Zeiten geändert haben. Cookie entdeckte damals in seinem Haus in der Auguststraße einen mit Müll verstopften Keller. Der wurde kurzer Hand entrümpelt, ein behelfsmäßiger Tresen gebaut und das erste halbe Jahr von einer seiner fünf Lieblings-CDs beschallt.
Cookie war aber Anfang der 90er nicht der Einzige, der sich ungefragt leerstehende und ungenutzte Räume im Ostteil zu Eigen machte. Durch billige Mieten und ungeklärte Eigentumsverhältnisse schossen gerade in Mitte illegale Bars und Clubs wie Pilze aus dem Boden. An jedem Tag der Woche gab es einen oder auch mehrere dieser improvisierten kleinen Läden im Angebot. Einfachheitshalber wurden sie zumeist nach dem Wochentag benannt, an dem sie geöffnet hatten. So war das Cookies den meisten zunächst als „Dienstagsbar“ bekannt. Gleichzeitig war die Di-Bar aber auch die Donnerstagsbar. Dies führte zu einigen Verwirrungen und dazu, dass sich bald der einheitliche Name „Cookies“ etablierte.
Die „Zwei-Wochentage-Taktik“ ist aber nicht das Einzige, das das Cookies zu etwas Besonderem machte und bis heute Tradition hat. Während Anfang der 90er die meisten illegalen Läden eng mit der Hausbesetzerszene im Zusammenhang standen und naturgemäß von einem alternativen Publikum besucht wurden, hatte das Cookies recht schnell einen hippen Ruf.
Allerdings war der Style der ersten Stunde nun wirklich nicht mit dem der heutigen Cookies-Szene vergleichbar. Die Grunge-Phase war noch nicht ganz vorbei, und selbst Cookie sah mit seiner lang gelockten Haarpracht aus wie der Sänger der Smashing Pumpkins. Unter die üblichen Studenten jedoch, die vor allem nach Berlin kamen, um das Nachtleben zu studieren, mischten sich bald auch Kreative, Künstler und ein paar Models. Diese Mischung kann wahrscheinlich als Ausgeburt der viel beschriebenen Mitte-Partyszene gesehen werden.
Bleibt aber noch offen, was von Beginn an den besonderen Reiz des Cookies ausmachte.
Grund 1: Cookies charmante Mitarbeiterinnen Janet und Nane. Auf Nanes Iro standen die Technofans, die Hausbesetzer und die Kreativen sowieso. Und Janet hatte schon damals nie einen BH an.
Grund 2. Cookies Musik. Nachdem keiner mehr seine Curtis Mayfield- und Goldfinger-CDs hören konnte, investierte er in zwei Plattenspieler und hatte mit Ben E Clock einen wirklich schicken Resident. Hinzu kam die housige Ausrichtung der Musik. Die hatte zwar einen elektronischen Einschlag, unterschied sich aber klar von dem reinen E-Werk- und Tresor-Techno.
Grund 3: Cookies Cocktails. Während in den anderen Wochentag-Bars neben Bier höchstens noch Sekt oder Longdrinks über den provisorischen Tresen gingen, war Cookie der erste, der richtige Cocktails anbot. Mit seinen billigen Preisen (ich bleibe aber bei 5 DM!) war das Nobelgetränk für jeden erschwinglich und führte praktisch zu einer „Demokratisierung“ des Cocktails. Legendär war vor allem der Erdbeer-Daiquiri.
Über ein Jahr hat Cookie so unentdeckt wilde Parties gefeiert. „Nur einmal war die Polizei da“, sagt Cookie. „Wir haben schnell die Tür verschlossen und die haben sich gewundert, woher die Leute im Hof alle ihre Cocktails hatten.“ Auch mit dem Ordnungsamt, wahrscheinlich nach der Wende noch in einer Art Neuorientierungsphase, gab es keine Probleme. Und das, obwohl Cookie mit einer Zorro-Maske verkleidet, öffentlich im Fernsehen aufzählte, was alles an seinem Laden nicht so ganz koscher war.
Im Januar 95 war es dann dennoch soweit. Die Sanierungswelle hatte auch ihn eingeholt. „Mir hat die Bar aber soviel Spaß gemacht, dass ich unbedingt eine neue machen wollte.“ Daher hatte Cookie auch frühzeitig begonnen, alle Adressen auf Zetteln zu sammeln oder in ein Buch eintragen zu lassen. Der Vorläufer des heutigen Verteilers und der Beginn einer schönen gemeinsamen Reise.